Erinnerungen werden wach

von | Sep 4, 2015 | Berlin, Leben | 15 Kommentare

Woran???
An das geteilte Berlin!
Ich war heute mit meinen frisch eingestellten Azubi’s im Tränenpalast.
Da wir in der Rentenversicherung auch Berührungspunkte mit der früheren DDR haben, haben sich meine Kollegin und ich gedacht, dass wir das Thema “Geschichtliche Entwicklung” mal anders gestalten!
Ich gehöre ja zur Mauerbaugeneration,
d.h. ich gehöre zu dem Jahrgang, in dem die Mauer errichtet wurde.
Ich bin auf der “West”seite Berlins groß geworden.
Oft bin ich gefragt worden, ob ich mich nicht eingesperrt fühle.
Nee, ich habe mich nie eingesperrt gefühlt. Ich kannte das ja nicht anders. Es war halt normal, dass ich eine Grenzkontrolle durchlaufen musste, wenn ich nach Westdeutschland fahren oder auch in die DDR einreisen wollte!
Aber ganz ehrlich: Schön war das nicht.
 Es war immer in bisschen unheimlich,
 weil man immer den Launen der Grenzposten ausgesetzt war.
1989 durfte ich ein Stück Geschichte erleben.
Und was soll ich euch sagen: Ich habe das verpennt. Ich habe es in der Nacht vom 08. auf den 09. November 1989 nicht mitbekommen, dass die Grenzen aufgingen.
Nur am Morgen habe ich mich über die merkwürdigen Geräusche auf der Straße gewundert.
Da fuhren doch tatsächlich Trabi’s! 
Aber nun zurück zum Tränenpalast.

Woher der Name für dieses 1962 errichtete Gebäude kommt könnt ihr euch sicher denken.
Viel Verzweiflung und Tränen zahlloser Familien sind mit diesem Ort verbunden.
Nachdem wieder Einreisen in die DDR erlaubt waren, musste hier jeder durch, der von der DDR wieder in den “Westen” ausreisen wollte.
Zurück blieben die Angehörigen, die in der DDR wohnten.
Ich selber bin da noch mit meinen Eltern durch.
Später gab es dann mehr Grenzübergangsstellen. Auch mit dem Auto durfte dann irgendwann gefahren werden, so dass wir den Tränenpalast nicht mehr zur Ausreise genutzt haben.
Im übrigen ist der Tränenpalast im Originalzustand erhalten!
Seit 2011 beherbergt der Tränenpalast die Ausstellung “Grenzerfahrungen”
Eine kostenlose Ausstellung, die mich sehr bewegt hat.
Gleich am Eingang eine Diashow mit Bildern des Mauerbaus.
Sofort hörte ich die Stimme von Walter Ulbricht mit ihrem eigentümlichen Klang:
“Niemand hat vor eine Mauer zu errichten!” 
Was aber bitte hat denn da 28 Jahre lang gestanden?????

Bei der Einreise wurde man gezwungen DM in Ostmark im Verhältnis 1:1 umzutauschen.
Es war jeoch leider sehr schwer das Geld auszugeben.
Ausführen aus der DDR oder gar zurücktauschen durfte man das Geld aber nicht.
Entweder hat man es verschenkt 
oder man konnte es auf der Notenbank der DDR deponieren.
Dennoch wurde der Zwangsumtausch bei der nächsten Einreise erneut fällig. 
Zunächst musste man bei der Ausreise durch die Zollkontrolle.
Hier stehen heute Koffer von Menschen,
 die noch vor dem Mauerbau aus der DDR geflohen sind.
Bis vor dem Mauerbau war es auch den DDR-Bürgern erlaubt in den “Westen” zu fahren. Aber nur für einen Tag.
Und wenn die vorhatten zu fliehen, dann sollten ja ein paar persönliche Gegenstände mit! 
Aber auffallen durfte das natürlich nicht!
Also nur ein kleiner Koffer.
Was würdet ihr denn da so mitnehmen???
Ganz schwierige Entscheidung.
Und die DDR-Bürger mussten ja auch immer damit rechnen, dass sie kontrolliert werden und die geplante Flucht auffliegt. 
Schön bei diesen Koffern ist, dass da Hörer stehen und man sich die Geschichte der jeweiligen Person anhören kann.
Dann kam man zur Passkontrolle.
Schilder zeigten früher an, wo man sich einzuordnen hatte.
Unterschieden wurde u.a.zwischen:
Bürger Berlin (West) und Bürger der BRD.
Die DDR hat Berlin (West) nie anerkannt und deshalb war das immer extra.
Wir hatten seinerzeit auch nur einen behelfsmäßigen Personalausweis! 
Trat man durch eine dieser Türen schloss diese sich hinter einem.
Die Tür vor einem war auch zu.

Das war schon bekelmmend.
Oben angebrachte Spiegel zeigten alles was sich im Rücken des “Westlers” befindet.
Die Tür vor einem öffnete sich erst, wenn der Grenzposten diese freigab.
Und
wenn es dich ganz schlecht traf, verschwand der Grenzposten mit deinen
Personaldokumenten und du standest ein längeres Weilchen mutterseelenallein in dieser engen
Kabine. Erklärungen für dieses Verhalten gab es nämlich keine.
Aber wenn sie dann aufging, warst du durch.
Auf dem nachfolgenden Bild seht ihr dann den Ausgang.
Früher schloss sich da ein Tunnel an.

Auf einem alten Foto ist das noch zu sehen!

Aber nicht das ihr denkt, dass einem dann schon wohler war. 
Man kam auf den Bahnhof Friedrichstr, 
der heute keine Ähnlichkeit mehr mit dem damaligen Bahnhof hat!
Es war ja noch immer “Osten”.
Frühestens nach einer Station, dem Lehrter Bahnhof -heute Hauptbahnhof-,
 löste sich dann die Anspannung.
Auch jetzt, wo ich diesen Post schreibe, berührt mich die Sache noch sehr.
Ich bin froh, dass es das nicht mehr gibt und das nun beide Seiten so hin und her können, wie sie wollen und wann sie wollen.
Solltet ihr mal in Berlin sein und ein bisschen Zeit haben geht doch da mal hin! 
Das ist wirklich interessant zu sehen.

15 Kommentare

  1. Danke Marion, für Deine Gedanken. Ich gebe zu, beim Lesen fühlte ich mich ein wenig beklemmt. Und ja, Du hast recht, schön, dass es heute anders ist.
    GLG Gudi

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  2. Liebe Marion,
    Vielen Dank für den tollen Rundgang. Das muss ich mir das nächste Mal auch mal anschauen. Wir waren ja früher fast Grenzgebiet zur DDR und waren auch schon mal drüben, wie wir das so nannten um Bekannte zu besuchen. Als Kind wurde in Helmstedt immer derjenige geweckt, der gerade schlief. Man hätte ja unterm Sitz was verstecken können. Da haben wir schon einiges erlebt.
    Die Kontrolle erinnert mich ein wenig an Russland. Da gibt es allerdings nur auf einer Seite eine Tür, am Eingang eine Schranke. Aber ansonsten genau das gleiche…. gruselig.
    LG, Rike

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  3. Liebe Marion. Ich bin von der anderen Seite Berlins, damit groß geworden, dass die Pakete von Tante und Onkel aus Dortmund meist vor uns geöffnet wurden :). Wenn meine Tante aus Britz uns besuchen kam, war das fast ein Tagestrip… Heute brauchen wir nur noch knapp 30 Minuten. Mir ging es wie dir, ich habe den Mauerfall verpennt. Ich war Freitags immer fürs Frühstück auf Arbeit zuständig, meine Kollegen fragten, ob ich sie vom Kudamm habe.. Häh, was ist mit denen los? Die lachen noch heute. LG Tatjana von immer noch der anderen Seite (Kaulsdorf)

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  4. Ja, das kann ich mir gut vorstellen, dass das beklemmend war. Ich war ja noch nie in Berlin, aber meine Mama wollte mich auch als Teenager nicht in die DDR lassen. Sie meinte ich könne meine Klappe nicht halten, und dann hätten sie mich vielleicht nicht mehr rausgelassen………….
    War schon eine schlimme Zeit.

    Baci, Monika

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  5. Oh ja, ich erinnere mich noch genau wie es als Kind war immer am Grenzkontrollpunkt an den Vopos (Volkspolizisten) vorbei zu müssen mit ihren Waffen.Ich war beim Transit durch die DDR immer froh am anderen Ende wieder herauszukommen.
    Ich bin aus Westberlin weggezogen etwas mehr als ein halbes Jahr vor dem Mauerfall und habe es nach Feierabend am Fernseher erfahren. Kurz danach rief mich meine Mama an und ich saß ungläubig vor dem TV-Gerät.
    Bei jeder Fahrt nach Berlin werde ich aber noch an die alten Rituale erinnert. Zarrentin, Stolpe(Einkaufen im Intershop), Staaken. Wie oft bin ich gefahren in den vielen Jahren als ich meinen heutigen Mann schon kannte. 5 Jahre Fernbeziehung waren schon einige Male.
    Ih sollte meine Kinder da auch mal hinzerren, die mögen ja eigentlich keine Museen. Aber das ist ja auch ein bisserl meiner "Geschichte".
    Winkegrüße Lari

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  6. Das hast du gut beschrieben, Hut ab!

    Als ebenfalls West-Berliner Pflanze, nach dem Mauerbau geboren, kann ich mich gut an all die von dir beschriebenen Vorgänge erinnern. Wie oft sind wir nach den von Brandt ausgehandelten Ostverträgen in die DDR eingereist, um die dortige Verwandtschaft zu besuchen.

    Als Jugendliche habe ich sogar alleine Ferientage bei der Tante in der DDR verbracht und sehr schöne Erinnerungen an diese Zeit. Dort war auch die DDR nicht bedrohlich, sondern einfach nur anders.

    LG Gabi

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  7. Liebe Marion,
    oh bei mir auch, den Schalter kenn ich noch, weil ich eine Briefreundin in Neuruppin und später Ostberlin hatte. Da musste ich auch durch und war immer ganz aufgeregt wenn mein Tagesvisum es mal wieder nicht per Post geschafft hat.
    Schöner Post,
    liebe Grüßle,
    Sylvia

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  8. Nein, das sind keine schönen Erinnerungen.
    Aber, früher sind mir immer morgens vor dem Aufstehen los, denn je früher, um so schneller waren wir durch und in der Freiheit. 🙂
    Heute stehst du eh im Stau, egal wann.

    LG Chrissi

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  9. Hallo Marion,
    an einige der von dir geschilderten Dinge kann ich mich auch noch gut erinnern. Fahrten über Helmstedt nach Westberlin. Von dort dann auch mal ein Besuch nach Ostberlin. Keine schönen Zeiten. Das Umtauschgeld habe ich für Bücher ausgegeben.
    An den Mauerfall kann ich mich gut erinnern. Ich habe vor dem Fernseher gesessen und gedacht, ich kann meinen Ohren nicht trauen.
    Schön, dass es diese Grenze nicht mehr gibt.
    Liebe Grüße
    Renate

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  10. Hallo Marion, vielen Dank für die Bilder die mir eine Gänsehaut beschert haben, das kann sich hier keiner vorstellen wie das damals war, man hat immer mit unbehagen an die DDR gedacht was da wohl so los ist, aber genau wie konnte keiner erfassen, du hast sehr gut erklärt und irgendwann fahren wir nach Berlin. Danke schön 🙂
    LG Sanne

    Antworten
  11. Hallo Marion,
    da hast Du bei mir eine echte Zeitreise ausgelöst. Ich bin Jahrgang 1956 und bin oft in den 7o iger Jahren in Berlin gewesen. DAS war alles voll abenteuerlich und im Rückblick auch oft etwas gruselig.
    Aber als Landei aus Niedersachsen war es das tollste Abenteuer für mich. Mit dem Zug dauert es oft endlos bis man endlich ankam. Genialer war es damals mit dem Flieger von Hannover, DAS war sogar billiger als die Bahn, damals. Klingt komisch, ist aber so geswesen. In Ostberlin war ich auch einmal bei den Weltfestjugenspielen auf dem Alexanderplatz. Der Grenzübertritt war immer Horror pur oft mit Schäferhunden im Zug und auf dem Passfoto musste unbedingt das Ohr frei sein.
    Ja und die Maueröffnung die hab ich auch verpennt. Da hatte ich zwei kleine Kinder und das eine hatte gerade Keuchhusten und Zeitung und Tv war irgendwie unwichtig.
    Für mich ist Berlin mit dem Bahnhof Zoo verbunden, an den neuen Bahnhof muss ich mich erst noch gewöhnen.
    Berlin hat sich verändert, es ist eine Stadt für die Jugend.
    Liebe Grüsse nach Berlin

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  12. Was für ein emotionaler Bericht – vielen Dank dafür! Ich kann mir das ja irgendwie überhaupt nicht vorstellen – so oder so… deswegen finde ich solche Berichte immer super spannend und verschlinge sie richtig! Also nochmal vielen Dank!

    Alles Liebe nima

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  13. Danke. Das war auch ein Rückblick in meine Vergangenheit. Bin auch im Westteil aufgewachsen. Einmal musste ich mit nach Ostberlin kurz nach dem Mauerbau. Wir brauchten dazu irgendwelche Visa. Dazu haben wir stundenlang in Schlangen vor einer Schule gewartet. Als wir dann endlich in Ostberlin ankamen (die Mutter meines Stiefvaters wohnte dort) wollte ich sofort wieder umkehren. Auch die Autofahrten Richtung Westen empfand ich als äußerst anstrengend. Immer aufpassen, dass man die 100kmh nicht überschreitet, oder die Autokontrollen in Marienborn. Was bin ich froh, dass diese Zeiten vorbei sind.
    Liebe Grüße
    Elke

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  14. Schön, das noch einmal fotografisch untermauert verfolgen zu können. Ich war damals beim Maurbau neun Jahre alt und bekam die Aufregung ganz deutlich mit. Mein liebster Herr K. war damals in Berlin und musste wegen der Mauer eine Liebe im Osten aufgeben, weil Kommilitonen verhaftet worden waren. Nach der Wende hat er mir alles gezeigt und es hat mich zu Tränen gerührt…
    LG
    Astrid

    Antworten
  15. danke für diese emotionalen Fotos und Worte. Unsere Schul-Abschlußfahrt hatten wir 1982 auch nach Berlin, leider hatten wir zu dieser zeit viele andere Dinge im Kopf nur nicht so sehr Geschichte. Aber die Mauer für die meisten von unserer Klasse noch nie gesehen hat doch einen starken Eindruck hinterlassen.

    Eine tolle Idee für die Azubis, denn die meisten sind ja sicher im ungeteilten Deutschland geboren.

    Grüße Ramgad

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